Informatives für Bauinteressenten, Bauherrn und Hausbesitzer.
Solarbeton – ein High-Tech-Produkt für den Hausbau
Jeder hat sie schon oft gesehen: Auf immer mehr geneigten Dächern befinden sich Photovoltaik-Module, mit deren Hilfe Sonnenenergie in Strom umgewandelt wird. Doch sie haben einige entscheidende Nachteile: Sie kommen aus wirtschaftlichen Gründen nur für Dächer mit einer Süd-Ausrichtung infrage, und ihre Herstellung ist aufwändig. Um die Leistungsfähigkeit von Silizium-Solarzellen und damit ihre Effizienz nicht zu beeinträchtigen, sind Verschattungen z. B. durch Bäume oder andere Gebäude unerwünscht. Damit sind Solarpaneele für viele grundsätzlich interessierte Hauseigentümer uninteressant.
Doch seit Anfang 2015 ist etwas völlig Neues im Gespräch: der Solarbeton. Doch unter diesem Begriff werden zwei unterschiedliche technologische Prinzipien verstanden. Wir erläutern, worum es bei diesen noch sehr jungen Innovationen eigentlich geht.
Die Lösung aus Kassel: billig, umweltfreundlich, variabel einsetzbar
Aus Titandioxid (z. B. in Zahnpasta enthalten), Farbstoffpigmenten (z.B. aus Fruchtsaft) und Jodlösung besteht im Wesentlichen die Erfindung Dy¬sC¬re¬te™, die von Forschern der Universität Kassel entwickelt wurde. Ihre schichtweise Anordnung auf einem leitfähigen Beton, die durch eine dünne Graphitschicht als äußere Elektrode und eine transparente Oberfläche abgeschlossen wird, bringt eine Farbstoff-Solarzelle hervor, die vor allem zwei große Vorteile hat: Sie ist einfach und billig. Das Prinzip wurde bereits Anfang der 1990er Jahre von dem Chemiker Michael Grätzel entwickelt und macht das in der Herstellung teure hochreine Silizium überflüssig.
Die Methode hat jedoch einen Nachteil: Nur 2 % des Sonnenlichts werden zu Strom umgewandelt. Zum Vergleich: Silizium-Module erzielen eine Ausbeute von 15 %. Doch dieser Umstand, der die neuartige Solarzelle zunächst unattraktiv erscheinen lässt, kann nur im Zusammenhang mit weiteren Gesichtspunkten bewertet werden: Die sog. Grätzel-Zelle braucht kein direktes Sonnenlicht. Deshalb ist ihre Montage auch auf der Nordseite von Gebäuden und in Schattenlagen möglich. Ihre Anwendungsmöglichkeiten sind dabei nicht nur auf Dächer oder – in sehr großen Dimensionen – auf Solarparks beschränkt, sondern auch für Hausfassaden und andere ebene Flächen sehr gut geeignet.
Die Kasseler Wissenschaftler widmen sich derzeit der Lösung eines Problems, das unmittelbar mit der Art der Beschichtung zusammenhängt: Sie hält nicht dauerhaft und muss im Abstand von 1-2 Jahren erneuert werden. Ihr derzeitiger Favorit sind Drucker-Roboter, die sich an der Fassade entlanghangeln und die Beschichtung der Solarzellen regelmäßig erneuern.
Insgesamt betrachtet ist mit DysCrete™ die Zusammenführung der Vorteile von Beton (hohe Festigkeit, Langlebigkeit, sehr gute Brandsicherheit, zahlreiche Einbaumöglichkeiten) und Farbstoff-Solarzellen gelungen. Das neue System ist umweltfreundlich, funktioniert ohne toxische Emissionen, besteht aus frei erhältlichen Komponenten und ist fast vollständig recyclebar. Es eignet sich sowohl für Boden-als auch Wandsysteme und kann im Außen-und Innenbereich eingesetzt werden.
Kombination von Design und energetischem Nutzen
Einen anderen Weg, um Betonteile für die Stromgewinnung aus Sonnenlicht nutzbar zu machen, gehen der international anerkannte Technologieführer für organische Solartechnik Heliatek (Dresden) und die Firma Reckli (Herne), die Matrizen herstellt. Dabei wird der Beton so vorproduziert, dass einerseits die Solarfolie leicht aufgebracht, andererseits aber auch die nötige Technik hinter dem Betonelement untergebracht werden kann. Die Solarfolie muss gewissermaßen nur noch eingehängt werden. Dieses Produkt wird unter dem Namen HeliaFilm® vermarktet.
Diese speziellen Folien haben es in sich: Auf ihnen befinden sich organische Solarzellen auf der Grundlage farbiger Kunststoffe. Auch für sie ist kein direktes Sonnenlicht nötig. Die Folien können auf sehr unterschiedliche Oberflächen aufgebracht werden und eignen sich beispielsweise neben Beton auch für Textil oder Glas. Ein erstes Gebäude mit dieser Technologie steht bereits in China, in Deutschland wurde die erste Solarbeton-Wand auf dem Reckli-Firmengelände aufgebaut. HeliaFilm® wird in verschiedenen Farben hergestellt, sodass Betonfassaden durch dieses Produkt deutlich ästhetisch aufgewertet werden können.
Dünne Solarfolien lassen sich auf beliebig große Fläche aufbringen
Hinsichtlich der Stromausbeute ist man hier deutlich optimistischer als in Kassel: Unter den Bedingungen, wie sie die Demonstrations-Wand mit ihrer Ausrichtung nach Südwesten aufweist, rechnen die beiden Firmen mit einem Stromertrag, der um 25 % über dem herkömmlicher Silizium-Zellen liegen soll. Das System soll 2017 in den Handel gebracht werden. Die Unternehmen wissen, dass weltweit pro Jahr 130 Mio. m² Betonfassade gebaut werden und haben diesen Markt für sich im Fokus.