WasserstoffSeitdem öffentlich bekannt wurde, für welchen Zeitraum die derzeit bekannten Ressourcen an fossilen Energieträgern noch ausreichen würden, wurde gewissermaßen nach dem „Ei des Kolumbus“ der Energieversorgung gesucht. Lange Zeit galt für viele Menschen die Atomenergie als Schlüssel für die zukünftige Energieversorgung. Auch wenn diese Haltung weltweit immer noch stark verbreitet ist, haben sich mit dem AKW-Unglück von Tschernobyl 1986 zunächst erste Zweifel gebildet; spätestens seit der Nuklearkatastrophe in Fukushima 2011 hat – nicht nur in Deutschland – ein Umdenken stattgefunden.Nun werden die sog. „Erneuerbaren Energien“ besonders gefördert.

Obwohl hier weder Störfälle noch Altlasten zu erwarten sind, schlägt auch ihnen Kritik entgegen:
An Land betriebene Windanlagen werden nicht nur wegen ihres Schlagschattens oder ihrer typischen Geräusche, sondern auch wegen des Vorwurfs, das durch sie unzählige Vögel und Fledermäuse ihr Leben verlören, bemängelt. Bei Offshore-Anlagen monieren Umweltverbände ebenfalls die durch den Bau und Betrieb entstehenden Umweltschäden. Sogar Solarzellen sind wegen des Einsatzes des als Klimakillers geltenden Stickstofftrifluorid (NF3) und ihres Kadmiumgehalts nicht unumstritten. Diese Kritik wird vor dem Hintergrund geübt, dass der Energiebedarf künftig noch weiter steigen wird, also dringend zuverlässige Energiequellen benötigt werden.

Gibt es eine Lösung?
Gesucht wird also eine Möglichkeit der Energieerzeugung, die nicht umweltschädlich, aber in großen Mengen verfügbar und gefahrlos nutzbar sein soll. An dieser Stelle hat der deutsche Ingenieur Karl-Heinz Tetzlaff angesetzt. In seinem ersten, bereits 1999 erschienenen Buch „Das Treibhausproblem lösen und die Energiekosten senken – das geht“ beschrieb er ein auf Wasserstoff basierendes Energiekonzept, das jedoch noch auf fossile Energieträger zurückgriff. Ausgehend von dieser Grundkonzeption entwickelte er ein Prinzip der wasserstoffbasierten Energieversorgung, das er 2005 in seinem Buch „Bio-Wasserstoff“ erläuterte und 2008 in „Wasserstoff für alle“ näher ausführte. Nach Tetzlaffs Vorstellungen soll diese Wasserstoffwirtschaft ihre Ressourcen zu 70 % aus Biomasse und zu 30 % aus erneuerbaren Energien beziehen. Dabei sollen sowohl die Atomkraft als auch die fossilen Energien durch regionale Energiequellen ersetzt werden können. Er verspricht, dass mit seinem System sogar die Energiekosten reduziert werden können, ohne eine Einschränkung hinsichtlich der Energieverfügbarkeit hinnehmen zu müssen. 

Wie funktioniert die Wasserstoffwirtschaft nach Tetzlaff?

Das Konzept von Tetzlaff besteht zunächst aus zwei Teilen:

1. Aus erneuerbaren Energien (z. B. Solarstrom) wird Strom, und aus Biomasse (Grassilage statt Holz) wird Wasserstoff hergestellt.
Für die Wasserstoffproduktion wird das noch feuchte Material ausgepresst, um dessen Wassergehalt auf 50 % zu reduzieren. Mithilfe von speziellen Vergasungsanlagen (sog. Steam-Reformern) wird die gepresste Grasmasse bei einer Temperatur von 850° C in ein Synthesegas umgewandelt, das fast keinen Stickstoff, jedoch schon 10-40 % Wasserstoff enthält. Außerdem ist noch Kohlenmonoxid enthalten; dies wird mittels Zugabe von 350° C heißem Wasserdampf zu Kohlendioxid und Wasserstoff umgewandelt. Diese nun neben dem Wasserstoff entstandenen Gase und die Asche werden voneinander getrennt und jeweils weiterverwendet:

  • Mit den Restgasen wird der Herstellungsprozess beheizt.
  • Mit der Asche können Felder gedüngt werden.
  • Das Kohlendioxid kann entweder als Arbeitsgas für Wärmepumpen, für die Produktion von Algen weiterverwendet oder klimaneutral in die Atmosphäre gegeben werden.

Im Gegensatz zu Biogas-Anlagen werden Rest- oder Abfallstoffe und keine Lebensmittel wie z. B. Mais verwendet. Die „Tank oder Teller“-Diskussion käme hierbei nicht zum Zuge.

2. Der Wasserstoff wird ohne Leitungsverluste zum Endkunden gebracht. Dazu eignen sich die bereits vorhandenen Gasleitungen.
Wasserstoff wird somit vor Ort in wärmegeführten Brennstoffzellen genutzt und in Energie umgewandelt. Brennstoffzellen haben die Eigenschaft, in etwa so viel Wärme wie Strom herzustellen. Auf diese Weise entsteht immer zur genau richtigen Zeit ein Stromüberhang, d. h. es wird im Winter mehr Strom als im Sommer bereitgestellt. Zudem können sie ohne örtliche Treibhausgas- oder Schadstoffemissionen betrieben werden. Überschüssige Wasserstoffmengen, die erst später benötigt werden, können in unterirdischen Wasserstoffspeichern gelagert werden. Hierfür kämen ehemalige Erdgasspeicher in Betracht.

Bei diesem Verfahren wird der Biomasse ein Heizwert von bis zu 99 % zugesprochen, davon entfallen etwa 50 % auf Strom. Nach Tetzlaffs Berechnungen kämen auf den Endverbraucher Strom- und Wärmekosten von ca. 0,03 €/kWh zu. Seiner Ansicht nach wäre eine „Energiewende“ dieser Art mit der einmaligen Bereitstellung von ca. 40 Mrd. € zu finanzieren. Dieser Betrag entspricht der Investitionssumme, die derzeit jährlich seitens der Energieunternehmen investiert wird.

Aber wenn das Konzept von Tezlaff so gut ist, warum wurde es nicht schon umgesetzt?

  1. Als ein Problem wurde die mangelnde Eignung der bereits bestehenden Gasleitungen zum Transport von Wasserstoff bezeichnet. Durch die Diffusion von atomarem Wasserstoff kann es vor allem in hochlegiertem Stahl zu einer Materialversprödung kommen. Doch das ist lösbar: Mit einer speziellen Innenbeschichtung, für die die Leitungen nicht freigegraben werden müssen, kann dieser Effekt unterbunden werden. Schwierig wird es allerdings, wenn diese Leitungen auch weiterhin zum Gastransport benötigt werden sollen: Wasserstoff könnte dann nur in sehr geringen Mengen beigefügt werden. Wird das System jedoch umgebaut und ausschließlich Wasserstoff in den Gasleitungen transportiert, könnten die Besitzer von Erdgas-Heizungsanlagen diese nicht mehr betreiben.

  2. Daneben geht es – wie so oft – auch um Geld: Alle, die bislang an den bereits vorhandenen Energieformen (atomar, fossil, erneuerbar) verdienen und eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut haben, befürworten eine Weiterführung der bisherigen Strukturen. Nicht nur, dass viele Strukturelemente (z. B. Kraftwerke) mit der Einführung der Wasserstoffwirtschaft überflüssig würden, ist hier ein Problem. Hinzu käme, dass sämtliche andere Energieträger im Vergleich zu einer Wärme- und Energieversorgung auf Basis von Wasserstoff wirtschaftlich nicht hierzu in Konkurrenz treten könnten. Gern wird auch das Argument, die benötigten Brennstoffzellen seien zu teuer, angeführt. Aus heutiger Sicht kann dieser Aussage nur zugestimmt werden. Das Konzept geht jedoch davon aus, dass bei seiner Umsetzung große Stückzahlen benötigt und nachgefragt werden und der Preis bei mehr als 100.000 Brennstoffzellen auf unter 50 €/KW fällt. Für diese Annahme spricht auch deren einfacher Aufbau, der eine automatisierte Herstellung ermöglicht.

  3. Kritiker bringen auch den zusätzlichen Frachtverkehr zwischen den Anbauflächen der zu verarbeitenden Biomasse und den Steam-Reformern zur Sprache. Im Zusammenhang mit der Errichtung von Biogas-Anlagen spielte dieses Kriterium nie eine besondere Rolle, um den (ökologischen) Nutzen dieser Methode zu bewerten. In der Regel wird der Rohstoff wie z. B. Gülle aus einem Umkreis von 20 km zur Biogas-Anlage geliefert. Bei der Bemessung der optimalen Entfernung zur nächsten Biowasserstofffabrik und damit auch der Fabrikgröße macht Tetzlaff eine Entscheidung von den örtlichen Gegebenheiten abhängig: Wenn sich in der Nähe eine gute Anbindung an einen Hafen oder eine Bahnlinie befindet, hält er Anlagen mit einer Leistung von 500 MW für denkbar. Wird jedoch der Transport ausschließlich über den Straßenverkehr abgewickelt, sollte die Distanz zwischen den Anbauflächen und der Anlage nicht mehr als 12 km betragen, um Anwohner nicht unnötig zu belasten.

Fazit
Nach Beurteilung der Faktenlage kann mit der Wasserstoffwirtschaft nach dem Konzept von Tetzlaff manches Problem, das heute im Zusammenhang mit unserer Energie- und Wärmeversorgung aktuell ist und diskutiert wird, gelöst werden. Letztlich fehlt es „nur“ an zwei Voraussetzungen: dem politischen Willen zur Umsetzung und einem potenten Investor. Bislang wurden die heute zahlreich vorhandenen Biogas-Anlagen so sehr subventioniert, dass dort nahezu die ganze in Deutschland verfügbare Biomasse verarbeitet wird. Das hat zu Preissteigerungen geführt, die die Chancen, dass das Tetzlaffsche Konzept umgesetzt werden könnte, weiter haben sinken lassen. Möglicherweise ist mit einer Umsetzung dieses Konzepts erst dann zu rechnen, wenn fossile Energieträger ein derart knappes Gut geworden sind, dass ihr hoher Preis zu einem ernsten Wahlkampfthema wird.

 

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