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Gehört die Zukunft dem Textilbeton?

Der klassische Beton gehört zwar zu den modernen Baustoffen, ist aber schon etwa 2.000 Jahre alt. Aus ihm werden Häuser, Brücken, Talsperren, Kanalschleusen und vieles andere mehr gebaut. Beton ist vielseitig einsetzbar und bei fachgerechter Verarbeitung und Instandhaltung langlebig. Aber er hat Nachteile: Er ist relativ schwer und als Stahlbeton korrosionsanfällig. Schäden am Bewehrungsstahl sind zu dem Zeitpunkt, zu dem sie von außen sichtbar werden, bereits weit fortgeschritten.

Seit etlichen Jahren wurden Forschungen an der TU Dresden und der RWTH Aachen vorangetrieben, die einen neuartigen Beton hervorbringen sollten, der langlebig und flexibel einsetzbar ist. Der Beginn der Forschungsarbeiten geht bis in das Jahr 1991 zurück, als das Bundesforschungsministerium die Untersuchungen des Sächsischen Textilforschungsinstituts unterstützte. Die Arbeit der Ingenieure war erfolgreich: Textilbeton eröffnet für die Zukunft neue Möglichkeiten des Bauens.

Verstärken und bauen – Textilbeton ist vielfältig einsetzbar

Das ist klassisches Bauen mit Stahlbeton:
Im Inneren des Beton-Bauteils befinden sich Stahlgitter, die das Material verstärken und ihm Zugfestigkeit geben. Doch nach einigen Jahren, in denen Betonbauwerke Wind und Wetter und anderen Belastungen ausgesetzt waren, offenbart sich das Problem: Durch feine Risse dringt Feuchtigkeit ein und führt dazu, dass die Stahlarmierungen rosten. In der Presse wird derzeit beispielsweise über zahllose Brücken in ganz Deutschland berichtet, deren Stabilität nach einer oft jahrzehntelangen Phase der Tatenlosigkeit der öffentlichen Hand jetzt so angegriffen ist, dass einige Fahrspuren nicht mehr benutzt werden dürfen oder sie für den Güterverkehr komplett gesperrt sind. In die Brückensanierung werden in den nächsten Jahren etliche Milliarden Euro fließen, die vom Bund, den Ländern und den Kommunen aufgebracht werden müssen – aus Steuergeldern.

Stahlbeton hat noch einen weiteren Nachteil:
Um – zumindest für eine Weile – einen Korrosionsschutz sowie die Stabilität des Verbundes zu gewährleisten, muss die Betondeckung, die die Stahlbewehrung umgibt, mindestens 3-4 cm dick sein. Bauteile haben deshalb eine Mindestdicke von 6-8 cm. Damit sind dünnwandige und anspruchsvolle Querschnitte oder filigrane Formgebungen nicht möglich.

Für Textilbeton spricht auch seine sehr gute Umweltbilanz:
Da der Verbrauch von Zement wesentlich geringer ist als bei Stahlbeton, lassen sich auch die CO2-Emissionen reduzieren. Sie machen beim Stahlbeton immerhin 6,5 % aller Kohlendioxid-Emissionen und damit drei Mal so viel wie die der Luftfahrt aus.
Die Lösung soll künftig im Einsatz von Textilbeton liegen.

Was genau ist Textilbeton?

Für die Herstellung des Fasermaterials für das Gewebe von Textilbeton werden Carbonfasern, dehnungsarmes Polypropylen oder alkaliresistente Glasfasern verwendet. Die Garne für das Gewebe setzen sich aus Endlosfasern zusammen und werden mithilfe von Textilmaschinen in Nähwirktechnik zweidimensional ausgerichtet. Dabei stehen zwei Faserrichtungen senkrecht aufeinander und bilden eine Ebene. Anschließend werden mehrere Ebenen aufgeschichtet, sodass sich ein mehrachsiges Textilprodukt ergibt. Der große Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die Fasern innerhalb jeder einzelnen Ebene nach Wunsch in ihrer Ausrichtung verändert werden können. Auf diese Weise können sie direkt an die an das Bauwerk gestellten Belastungen angepasst werden. Die Fasergitter werden mit einer Spezialbeschichtung überzogen und anschließend erhitzt. Danach können sie aufgerollt zur Baustelle transportiert und dort in den Feinbeton eingegossen werden.

Um einen guten Verbund zwischen dem Gewebe und dem Beton zu erreichen, werden für die Herstellung von Textilbeton nur Feinbetone mit einem geringen Korndurchmesser eingesetzt, die sich durch ihre hohe Fließfähigkeit auszeichnen. So können sogar scharfkantige Konturen erstellt werden, außerdem sind hohe Einsparungen bei Material und Gewicht möglich.

Das kann Textilbeton

Der Baustoff ist seit 2014 vom Deutschen Institut für Bautechnik zur Verstärkung von Stahlbeton zugelassen. Es steht für Experten jedoch völlig außer Frage, dass es sich bei Textilbeton um den Baustoff der Zukunft handelt, der das Spektrum der architektonischen Möglichkeiten sowohl im Innen- als auch Außenbereich deutlich erweitern wird. In den nächsten Jahren wird es weitere bauaufsichtliche Zulassungen geben.
Dass Textilbeton korrosionsfrei ist, ist einer seiner größten Vorteile. Außerdem kündigt sich das Versagen eines Bauteils aus diesem Material durch eine vorherige Verformung an (Duktilität), während es bei Betonstahlmatten oder Gitterträgern eine geringere Neigung zu einer Verformung gibt, bevor sich die einzelnen Werkstoffe voneinander trennen und das Bauteil instabil wird.
Ein weiterer Vorteil von Textilbeton ist, dass die Gewebedichte durch das Fertigen einer variierenden Dicke optimal an die künftigen Belastungsstrukturen eines Bauteils angepasst werden kann. So können dort, wo es nötig ist, höhere Lasten aufgenommen werden. Außerdem werden durch das geringe Gewicht von mit Textilbeton hergestellten Bauteilen neue Möglichkeiten geschaffen.

Die vielfältigen Einsatzgebiete für Textilbeton haben das Bundesforschungsministerium dazu veranlasst, die weitere Erforschung und Erprobung des Materials mit 50 Millionen Euro zu unterstützen. Das Ziel der daran arbeitenden Experten ist, es innerhalb der kommenden zehn Jahre zu ermöglichen, bei Neubauten auf mindestens 20 % der Stahlbewehrung zugunsten einer Textilbewehrung verzichten zu können.
Referenzgebäude lassen erahnen, was Textilbeton zu bieten hat: In Albstadt (Baden-Württemberg) wurde 2010 die erste aus Textilbeton gebaute Fußgängerbrücke fertiggestellt. Sie ist mit 97 Metern die längste Brücke, die bis heute mit dieser Technologie erstellt wurde. Das dafür verwendete Fasermaterial besteht aus Glasfaser und Carbon. Sie wiegt mit 200 Tonnen nur halb so viel wie eine Stahlbetonbrücke desselben Ausmaßes.

Die Nachteile von Textilbeton liegen beim Recycling

Derzeit gibt es Firmen, die sortenreine Textilbewehrungen für Beton herstellen, also ohne Fremdfasern wie z. B. Polyester oder Polypropylen. Beim Recycling entfällt daher das Abtrennen der unterschiedlichen polymeren Stoffe, was das Verfahren erheblich erleichtert.
Insbesondere das Recycling von Carbon beinhaltet jedoch einige Herausforderungen: Wegen des hohen Kohlenstoffgehalts ist eine Einlagerung in eine Deponie nicht ohne eine vorherige Vorbehandlung zulässig. Auch die Vernichtung in einer Müllverbrennungsanlage ist problematisch: Die Carbonfasern neigen dazu, Filter und Einlass zu verstopfen, außerdem kann die Leitfähigkeit des Materials zu Stromausfällen führen. Wenn aber vom Entsorgungsbetrieb Carbon als Sondermüll eingestuft werden sollte, wird es teuer.
Die Pyrolyse ist das Recyclingverfahren für Carbon, das am weitesten fortgeschritten ist. Dabei werden die karbonhaltigen Abfälle zerkleinert und auf eine Temperatur von etwa 1.100° C erhitzt. Aus den am Ende des Prozesses übrig bleibenden Fasern werden beispielsweise Vliese oder Pellets hergestellt. Diese Methode wird in Deutschland allerdings nur in einer einzigen Anlage angewendet, die von der CFK Recycling Stade betrieben wird. Die Jahreskapazität liegt bei gerade mal 1.000 Tonnen. Die doppelte Menge recycelt die Firma ELG Carbon Fire Ltd. im britischen Coseley.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich Carbonfasern ab einer Erhitzung von etwa 650° C in einen sehr feinen Partikelstaub verwandeln, der bis in die Lunge vordringt und als krebsauslösend eingestuft wird.
Die Recyclingfähigkeit des Textilmaterials wird nach Einschätzung von Fachleuten also entscheidend zum künftigen Erfolg des Produkts beitragen.

 

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