Neue und umfassend energetisch sanierte Gebäude sind darauf ausgerichtet, möglichst viel von der erwärmten Raumluft im Haus zu halten. Deshalb sind sie vor allem eines: luftdicht. Im Gegensatz zu älteren Häusern, deren Mauerfugen, Fenster und Außentüren fast immer etwas undicht waren, findet also kein automatischer Luftaustausch mehr statt. Der normale Alltag lässt es meistens außerdem nicht zu, die Fenster drei bis vier Mal täglich zu öffnen, um das ganze Haus durchzulüften. Die Folge: Die Luftfeuchtigkeit und der CO2-Gehalt in der Raumluft schädigen sowohl die Gesundheit der Bewohner als auch die Bausubstanz. Über kurz oder lang bilden sich Schimmel und weitere durch Feuchtigkeit verursachte Schäden. Dem kann mit einem ausgewogenen Lüftungskonzept entgegengetreten werden, bei dem technische Lösungen zum Zuge kommen.
Die Erstellung eines Lüftungskonzepts
Die DIN 1946-6 weist Bauherren und Sanierer darauf hin, wann ein Lüftungskonzept benötigt wird. Konkret: Es gilt für alle Neubauten, bei denen nicht von vornherein eine Lüftungsanlage geplant ist, sowie für Bestandsbauten, wenn im Rahmen von Modernisierungen mehr als ein Drittel der Fenster ausgewechselt wird. Handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus, muss für jede einzelne Wohneinheit ein Lüftungskonzept angefertigt werden. Auch für Einfamilienhäuser, deren Dach zu mehr als einem Drittel gedämmt wird, gilt diese Verpflichtung. Ein passendes Lüftungskonzept wird dann von Fachhandwerkern oder –planern erstellt, die verpflichtet sind, den Hauseigentümer entsprechend zu beraten. Wird diese Beratung vergessen, kann der Berater sogar haftbar gemacht werden, wenn es wegen mangelhafter Lüftung zu Schäden kommt.
Die DIN 1946-6 sieht vier sogenannte Lüftungsstufen vor. Jede dieser Stufen steht für bestimmte Nutzungsbedingungen einer Wohneinheit, und für jede dieser Stufen muss ein ausreichender Luftwechsel gewährleistet sein. Die DIN unterscheidet in
- die Lüftung zum Feuchteschutz (LFS), mit der der Gebäudeschutz bei reduzierten Lasten aufgrund der zeitweisen Abwesenheit der Bewohner (z. B. bei Ferienwohnungen) sichergestellt wird,
- die reduzierte Lüftung (RL), die nicht nur die Anforderungen an die Lüftung zum Feuchteschutz erfüllt, sondern auch für hygienische und gesundheitlich unbedenkliche Luftverhältnisse bei reduzierten Lasten wie z. B. während der Nacht sorgt,
- die Nennlüftung (NL), die mit dem normalen Alltag gleichzusetzen ist und
- die Intensivlüftung (IL), die dann angewendet wird, wenn es zu sog. Lastspitzen wie beispielsweise beim Kochen oder während einer Feier kommt.
Um festzustellen, wie dicht das Gebäude tatsächlich ist, wird meistens der Blower-Door-Test eingesetzt. Das Testergebnis gibt darüber Auskunft, wie oft pro Stunde die Luft im gesamten Haus ausgetauscht wird. Erfahrungsgemäß kommen alle Gebäude, die nach den Vorgaben der Energie-Einspar-Verordnung 2014 gebaut oder saniert worden sind, nicht ohne eine technische Lüftungsmaßnahme aus.
Kosten eines Lüftungskonzepts
Das für die Erstellung eines Lüftungskonzepts anfallende Honorar richtet sich üblicherweise nach der Zahl der zu beurteilenden Wohneinheiten. Dabei sollte bei einem Ein- oder Zweifamilienhaus von etwa 350 Euro und bei einem Mehrparteienhaus mit mehr als sechs Wohneinheiten von ca. 1.500 Euro netto ausgegangen werden. Dazu kommen 19 % MwSt. sowie ggf. Fahrstreckenentschädigungen.
Grundsätzlich sollte sich kein Hauseigentümer, der entweder neu gebaut hat oder dessen gebrauchte Immobilie die o. g. Voraussetzungen erfüllt, vor den Ausgaben für ein Lüftungskonzept drücken. Insbesondere Vermieter gehen bei einem Verzicht jedoch ein besonderes Risiko ein: Wenn Mieter aufgrund des Raumklimas oder Schimmelbefalls Gesundheitsschäden erleiden, können sie dafür haftbar gemacht werden.
Möglichkeiten der Gebäudelüftung
Die Realisierung eines wirksamen Lüftungskonzepts hängt von den Ansprüchen der Hauseigentümer, ihrer Bereitschaft, hierin Geld zu investieren und ihren Möglichkeiten, die Belüftung selbst aktiv zu unterstützen, ab.
Abluftanlagen
Einfach durchzuführen und auch in Bestandsbauten gut nachrüstbar sind reine Abluftanlagen, die mit Ventilatoren arbeiten. Damit sie leise funktionieren und keinen Staub ins Haus lassen, sind sie mit Schalldämpfern bzw. Filtern ausgerüstet. Sie werden in der Regel dort montiert, wo ein höherer Luftaustausch nötig ist: in den Bädern, der Küche und ggf. auch in Lagerräumen. Wenn sie in einem Einfamilienhaus eingesetzt werden sollen, sind hierfür Investitionskosten in Höhe von 2.500 Euro nötig, für eine 3-4-Zimmer-Wohnung durchschnittlicher Größe müssen etwa 1.500 Euro aufgewendet werden. In einer höherwertigeren Variante mit Wärmerückgewinnung können sie im Winter mit der verbrauchten Raumluft die von außen hereinströmende Luft vorwärmen. So sparen sie Heizkosten und vermeiden Zugluft.
Fenster mit integriertem Lüftungssystem
Bei Neubauten oder einem geplanten Fensteraustausch in einem Bestandsgebäude kommen Fenster in Betracht, in denen ein Lüftungssystem integriert ist. Im Rahmen, dem Fensterflügel und in den Dichtungsprofilen sind einem Labyrinth ähnliche Lüftungswege eingelassen, die bei geschlossenem Fenster für einen stetigen Luftaustausch sorgen. Die Luftkammern in der Konstruktion wärmen die Außenluft so weit an, dass kein Gefühl von Zugluft entsteht. Ein deutlicher Nachteil ist hier ein leises Störgeräusch, das durch die ständigen Luftbewegungen ausgelöst wird.
Ventile
Eine häufig angewendete Lösung, die allerdings in einigen Fällen ergänzend das selbstständige Lüften durch die Bewohner erfordert, sind Ventile. Sie werden direkt in der Fassade oder an den Fenstern installiert und reagieren auf die verschiedenen Druckverhältnisse zwischen der dem Wind ab- und der ihm zugeneigten Hausseite. Ventile kommen für alle Wohnräume infrage und führen so viel verbrauchte Luft ins Freie wie sie frische ins Haus befördern. Sie sind üblicherweise mit einem Wärmetauscher ausgestattet, der einen Wirkungsgrad von wenigstens 75 % hat. Anlagen dieser Art gibt es als dezentrale und zentrale Varianten, wobei die dezentrale Lösung eher bei Mehrfamilienhäusern üblich ist. Für diese Lüftungsanlagen muss pro Wohneinheit mit Kosten zwischen 4.000 und 6.000 Euro gerechnet werden.
Zentrale Lüftungsgeräte
Eine weitere Variante sind zentrale Lüftungsgeräte. Sie verteilen die Luft über ein im ganzen Haus verzweigtes Leitungsnetz und eignen sich deshalb besonders für Neubauten; bei Bestandsgebäuden können die hohen Montagekosten die Amortisationsdauer zu sehr verlängern. Auch sie nutzen die Abluft aus dem Gebäudeinneren, um damit die von außen hereinkommende Frischluft zu erwärmen. Der Wirkungsgrad der Wärmerückgewinnung liegt dabei bei bis zu 90 %. Die entsprechenden Geräte kosten ab 2.500 Euro, dazu kommen noch die Kosten für die Leitungen und die Handwerker.
Das kostet eine Lüftungsanlage jährlich
Der Betrieb einer zentralen Lüftungsanlage kostet ständig Strom. Fachleute gehen des Fachverbands Sanitär Heizung Klima NRW haben sich darüber Gedanken gemacht, wie hoch die Stromkosten pro Jahr etwa ausfallen. Dabei gingen sie davon aus, dass nachts zwischen 22 und 6 Uhr eine reduzierte, tagsüber zwischen 6 und 22 Uhr 15 Stunden eine Nenn- und für eine Stunde am Tag (z. B. während des Kochens) eine Intensivlüftung stattfindet. Jede dieser Lüftungsarten zieht einen anderen Stromverbrauch nach sich. Bei einem zum Zeitpunkt der Berechnung noch üblichen Strompreis von 24 Cent pro kW/h ergaben sich jährliche Energiekosten von fast 100 Euro. Dazu kommen die regelmäßigen Wechsel der Filter, deren Intervalle von der Qualität der Außenluft abhängen. Bei einem normalen Betrieb muss alle sechs bis 12 Monate ein Austausch durchgeführt werden, was mit Kosten zwischen 40 und knapp 100 Euro pro Austausch verbunden ist. Den Filtertausch können die Hausbewohner selbst durchführen.
Experten empfehlen außerdem, alle fünf bis acht Jahre die Luftkanäle reinigen zu lassen. Dafür werden zwischen 400 und 800 Euro fällig.
Hinweis:
Bauherren und Sanierer sollten bei der Auswahl der richtigen Lüftungsanlage auch auf das Energielabel achten. Seit dem 1. Januar 2016 müssen alle Geräte mit dem farbigen Aufkleber, der bereits von Haushaltsgeräten bekannt ist, ausgezeichnet werden. Seitdem muss ihre Einsparung an Primärenergie mindestens so hoch sein wie ihr Verbrauch. Die Einstufung von A+ bis G gibt darüber Auskunft, wie groß die Einsparung der Lüftungsanlage gegenüber der Fensterlüftung ist. Dabei wird der Stromverbrauch für den Betrieb der Ventilatoren mit der eingesparten Heizenergie verrechnet. Dem üblichen Fensterlüften entspricht dabei die Effizienzklasse G, die höchste Stufe A+ wird vergeben, wenn die Primärenergieeinsparung pro Quadratmeter und Jahr mehr als 42 kW/h beträgt. Außerdem informieren die Energielabel über die Intensität der Betriebsgeräusche der Lüftungsanlage und die Luftmenge, die pro Stunde höchstens gefördert werden kann.