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Bestandsschutz im Baurecht: eine manchmal heikle Angelegenheit

Der Rechtsbegriff des Bestandsschutzes geht auf den Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zurück. Dort wird ausdrücklich das Eigentum geschützt. Daraus haben sich für den Bereich des öffentlichen Baurechts der aktive und der passive Bestandschutz entwickelt.

  • passiver Bestandsschutz
    Unter einem passiven Bestandsschutz wird der Schutz des Ist-Zustands der baulichen Anlagen –also nicht nur Häuser, sondern beispielsweise auch Parks – vor nachträglichen staatlichen Anforderungen verstanden. Beispiel: Wurde der Bau eines Einfamilienhauses vor Jahren genehmigt, können Behörden das Bewohnen nicht allein deshalb verbieten, weil sich das Eigenheim durch Umwidmung nun in einem Naturschutzgebiet befindet. Die Eigentümer müssen sich darauf verlassen können, dass sie in ihrem Haus bleiben können, so lange es keine gravierenden Mängel aufweist, keine deutlichen Veränderungen an ihm vorgenommen werden oder andere wichtige Gründe gegen eine Nutzung in dieser Umgebung sprechen. Diese Art des Bestandsschutzes wird daher auch als abwehrender Bestandsschutz bezeichnet.

  • aktiver Bestandsschutz
    Beim aktiven Bestandsschutz wird hingegen die Frage gestellt, inwieweit baurechtlich bedeutsame Veränderungen an der geschützten baulichen Anlage zu dulden oder zu genehmigen sind. Durch die Einführung des § 35 Abs. 4 Baugesetzbuch (BauGB), der eine Aufzählung der Vorhaben enthält, die zu einem Bestandsschutz führen können, gibt es kaum einen Entscheidungsspielraum. Auch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 4 C 10/97 vom 12.03.1998) geht in diese Richtung,

Kann es auch Bestandsschutz geben, wenn die Baugenehmigung fehlt?

Gebäude, die ohne eine Baugenehmigung errichtet wurden, sind rechtswidrig. Sofern nicht nachträglich eine Baugenehmigung erteilt wird, dürfen sie auf Anordnung der zuständigen Baubehörde abgerissen werden. Schwieriger wird es, wenn ein Gebäude zwar widerrechtlich errichtet wurde, die Baubehörde aber nicht dagegen eingeschritten ist. Sofern der Eigentümer darauf vertrauen konnte, dass die Bauaufsichtsbehörde nichts mehr gegen seinen Schwarzbau unternehmen würde, hat er die Möglichkeit, sich auf den Bestandsschutz zu berufen. Eine lange Zeitdauer ist hierfür aber nicht unbedingt das ausschlaggebende Kriterium. Dies stellt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 4 B 130.91 vom 5.8.1991) klar: Im verhandelten Fall waren seit der Fertigstellung des Schwarzbaus 45 Jahre vergangen. Trotzdem konnte sich der Eigentümer nicht auf den Bestandsschutz berufen. Nur wenn für einen Eigentümer eindeutig erkennbar ist, dass die Baubehörde nicht gegen das widerrechtlich erstellte Bauwerk nichts unternehmen wird, kann er auf einen Bestandsschutz vertrauen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Behörde dies in einem entsprechenden Bescheid kundgetan hat. Aus solch einem Bescheid muss außerdem hervorgehen, dass die Behörde über den Status des Bauwerks als Schwarzbau Kenntnis hat.
Von einem Abriss ihrer Immobilie bedrohte Eigentümer können auch dann Hoffnung schöpfen, wenn es vergleichbare Gebäude im selben Alter oder in derselben Lage gibt, für die die Behörde keine Abrissverfügung ausgesprochen hat. Diese geschilderten Situationen, in denen ein Bestandsschutz für Schwarzbauten angenommen werden kann, sind jedoch so wenig eindeutig, dass etliche Streitigkeiten vor Gericht ausgehandelt werden.

In den neuen Bundesländern gibt es bis heute eine etwas andere Rechtslage: Bis zum 31. Juli 1990 war die Verordnung (VO) über die Bevölkerungsbauwerke gültig. In ihr waren u. a. Regelungen, wie die zuständigen Behörden mit einem Schwarzbau umzugehen hatten, enthalten. Der § 11 Abs. 3 sah vor, dass nach dem Ablauf von fünf Jahren nach der Fertigstellung eines Bauwerks verschiedene Ordnungsmaßnahmen verhängt werden konnten, die Verfügung eines Abrisses aber nicht mehr möglich war. Da der Paragraph erst nachträglich in die VO eingefügt worden war, betraf diese Vorgabe alle vor dem 1. August 1985 erstellten Bauwerke, für die die jeweilige Kommune nicht bis spätestens zum 31. Juli 1990 innerhalb der fünfjährigen Frist den Abriss angeordnet hatte. Diese Verjährung wirkt bis heute fort. Das wurde auch in einem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts in Weimar (Az. 1 KO 639/01 vom 18.12.2002) bestätigt.

Langjährige Immobilieneigentümer wissen in der Regel, ob es für ihr Gebäude eine Baugenehmigung gegeben hat. Wer sich allerdings für den Kauf einer Bestandsimmobilie interessiert, sollte sich die entsprechenden Informationen beschaffen, bevor der Kaufvertrag unterschrieben worden ist.

Wann endet der Bestandsschutz?

Grundsätzlich spielt hier eine Rolle, ob ein Gebäude überhaupt noch genutzt wird. Ein Leerstand, der nur eine kurze Zeit andauert, führt nicht zu einem Verlust des Bestandsschutzes. Sind jedoch Anzeichen des Verfalls in Kombination mit einem Leerstand nicht mehr zu übersehen, müssen Eigentümer damit rechnen, dass ihre Immobilie als „endgültig aufgegeben“ bewertet wird.
Ein für ein bestimmtes Gebäude geltender Bestandschutz kann nicht übertragen werden. Wird an der Stelle, an der ein Bauwerk abgerissen wird, ein neues errichtet, kann dafür kein Bestandsschutz in Anspruch genommen werden.

Ein anderer Grund für das Erlöschen des Bestandsschutzes kann eine Nutzungsänderung des Gebäudes sein. Sofern sie so gravierend ist, dass sie sich sowohl quantitativ als auch qualitativ auf das Bauwerk auswirkt, verfällt in der Regel der Bestandsschutz.

So greifen Behörden bei unerlaubten Änderungen am Gebäude in den Bestandsschutz ein

Eigentümer, die widerrechtliche Änderungen an ihrem Gebäude vornehmen, müssen mit dem Verlust des Bestandsschutzes rechnen. Die zuständige Bauaufsichtsbehörde kann dann grundsätzlich mit

  • einer Verpflichtung zum Abriss,
  • einer Abrissverfügung,
  • einem Nutzungsverbot für das Gebäude (beinhaltet den sofortigen Vollzug zur Sicherung der Ordnungsfunktion des Baurechts),
  • einer Nutzungsuntersagung (nicht nur die beanstandete Nutzung wird untersagt, sondern auch ihre (ähnliche) Wiederaufnahme),
  • einer Stilllegungsverfügung oder
  • einem Stopp der gerade am Bauwerk durchgeführten Arbeiten

reagieren.

Kann es einen Bestandsschutz bei fehlender Bauakte oder verloren gegangener Baugenehmigung geben?

Ein Brand, unachtsamer Umgang mit den Dokumenten oder Verwüstungen nach einem Einbruch: Es kann etliche Gründe geben, warum Eigentümer nicht mehr über die Baugenehmigung verfügen. Sie können sich auch nicht darauf verlassen, dass bei der Baubehörde noch Unterlagen vorhanden sind: Auch dort kann eine ungünstige Aktenlagerung oder ein Wasserschaden dafür sorgen, dass Bauakten unbrauchbar geworden sind. Viele Akten sind auch während des Zweiten Weltkriegs vernichtet worden. Grundsätzlich muss der Eigentümer eines Bauwerks nachweisen, dass dieses rechtmäßig erstellt worden ist. In der Mehrzahl der Fälle wird daher zugunsten des Eigentümers berücksichtigt, wenn Vorgänge nicht mehr nachgewiesen werden können, die bei einer geordneten Verwaltung üblicherweise schriftlich festgehalten werden, dies aber nicht mehr möglich ist, weil diese Dokumente in der Behörde nicht mehr auffindbar sind. In der Regel gehen Gerichte davon aus, dass Bauwerke, die seit sehr langer Zeit – länger als die oben genannten 45 Jahre – als rechtmäßig behandelt worden sind, dies auch zum Zeitpunkt ihres Baus gewesen sind.
Wenn es um Bauunterlagen geht, die im Zweiten Weltkrieg zerstört worden sind, wird das Verschulden beim Deutschen Reich gesehen, dessen „Rechtsnachfolger“ die Bundesrepublik Deutschland ist.

Schwarzbauten sind eine große Ausnahme, wenn es um die Frage nach dem Bestandsschutz geht. Generell ist der Schutz des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 GG die Richtschnur des juristischen Handelns. Es ist insbesondere bei alten Bauwerken davon auszugehen, dass die damalige Errichtung des Gebäudes nach einer Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit genehmigt worden ist. In solchen Fällen muss die Genehmigungsbehörde beweisen, dass ein Bauwerk rechtswidrig entstanden ist; das gilt insbesondere dann, wenn die Bauakten einer ganzen Straße oder eines Ortsteils nicht mehr vorhanden sind.

Kaufinteressenten, die ein nicht ganz so altes Haus erwerben möchten, dessen Bauakte jedoch nicht mehr vorhanden ist, sollten vor dem Vertragsschluss klären, ob die Immobilie genehmigungsfähig ist und mit welchen Kosten hierfür gerechnet werden muss.

In einigen Jahrzehnten wird sich die Bewertung, ob ein Bestandsschutz vorliegt, sehr wahrscheinlich für viele Bauwerke stellen, die derzeit auf der Grundlage eines Bebauungsplans genehmigungsfrei errichtet werden. Voraussichtlich wird die Klärung jedes einzelnen Falls dann die Gerichte beschäftigen.

 

 Hinweis:
Wir bieten keine Rechtsberatung und können auf Grund standesrechtlicher Bestimmungen keine rechtsberatenden Auskünfte geben. Unser Beitrag dient lediglich der Information. Da dieser Text mit der Unterstützung eines Juristen verfasst wurde, spiegelt er den derzeitigen Stand der deutschen Rechtsprechung wider. Eine Gewähr und Haftung für die Richtigkeit aller Angaben wird jedoch nicht übernommen. Bitte kontaktieren Sie für juristische Fragen einen zugelassenen Rechtsanwalt Ihrer Wahl.

 

 

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