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Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie: gelungener Verbraucherschutz?

Die globale Finanzkrise 2008 und insbesondere der US-amerikanische Immobilienmarkt, der wie ein Kartenhaus zusammenbrach und viele Menschen in die Obdachlosigkeit stürzte, haben das Europäische Parlament ebenso nachdenklich gemacht wie der Umstand, dass einige der EU-Mitgliedstaaten haarscharf an der Zahlungsunfähigkeit vorbeigeschrammt sind und seit Jahren aufs Neue „gerettet“ werden müssen. Es ging ihm darum, Kreditnehmer davor zu schützen, beim Abschluss eines Immobilien-Darlehensvertrags von ihrem Geldinstitut übervorteilt zu und in ernstzunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht zu werden. Mit der seit dem 21. März 2016 gültigen Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) wurden sowohl die EU-Richtlinie 2014/17/EU als auch Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Sie gilt ausdrücklich nur für private Verbraucher, nicht aber für gewerbliche Immobilienkredite.

Aus Verbrauchersicht: Das sind die positiven Veränderungen

Nach den nun geltenden Vorgaben der WIKR sind die Rahmenbedingungen bei der Vergabe von Immobiliendarlehen aus der Sicht der Kreditnehmer transparenter geworden: Darlehensvermittler müssen im Rahmen der vorgeschriebenen Unterrichtung z. B. angeben, ob sie für ein oder mehrere Kreditinstitute tätig sind und diese namentlich benennen. Auch das Zustandekommen der Vergütungshöhe und eventuelle Vermittlungsprovisionen müssen nachvollziehbar erläutert werden. Außerdem müssen sie über eine nachzuweisende Sachkunde sowie eine Berufshaftpflichtversicherung verfügen, deren Versicherungssumme pro Schadensfall mindestens 460.000 Euro und für alle Fälle eines Versicherungsjahres mindestens 750.000 Euro beträgt. Die Sachkunde gilt bei bestimmten Berufsbezeichnungen wie beispielsweise dem geprüften Bankfachwirt, dem geprüften Immobilienfachwirt oder dem Fachberater für Finanzdienstleistungen von vornherein als anerkannt. Wer von der „Alte-Hasen-Regelung“ profitieren will, muss seit mindestens 2011 durchgehend in der Kreditvermittlung tätig sein. Alle anderen Kreditvermittler müssen bis spätestens 21. März 2017 einen Sachkundenachweis gem. §34i Gewerbeordnung vor der IHK ablegen. Mit diesen Maßgaben soll sichergestellt werden, dass Verbraucher immer eine kompetente Beratung erwarten können.

Einige Regelungen dienen dazu, den Kreditinteressenten vor sich selbst zu schützen. Der Umfang der Beratungspflicht hängt dabei im Wesentlichen von der Aufklärungsbedürftigkeit des Kunden ab. Im Gespräch muss der Berater erkennen, über welche Vorkenntnisse bezüglich der Darlehensmöglichkeiten dieser verfügt und seine Beratung ggf. entsprechend ausweiten. Alle offenen Fragen müssen bereits innerhalb des Beratungsgesprächs geklärt und dürfen nicht erst im Darlehensvertrag aufgeführt werden. Kreditberater haben die Pflicht, ihre Kunden vollständig, richtig und aktuell zu informieren und die nötigen Daten zu erfragen, aus denen sich sowohl die wirtschaftliche Situation als auch die Risikobereitschaft der Kreditkunden ermitteln lassen. Darüber hinaus müssen sie ihren Kunden von einem Darlehensvertrag abraten, sobald sie erkennen, dass deren finanzielle Lage keinen Spielraum für einen Kredit zulässt.

Die Schattenseiten der Wohnimmobilienkreditrichtlinie:
kürzere Widerrufsfrist und erschwerte Kreditmöglichkeiten

Die Verbraucherverbände haben bereits protestiert: Mit dem Inkrafttreten der WIKR ist der sog. Widerrufsjoker entfallen. Dieser betraf Verbraucherkredite, die zwischen dem 2. November 2002 und dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden und eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthielten. Aufgrund dieser Fehlerhaftigkeit waren Kunden für ihren Widerruf nicht an Fristen gebunden. Dieser ist in den o. g. Fällen nicht mehr möglich. Immobiliendarlehen, die nach dem 10. Juni 2010 mit einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung abgeschlossen werden, können jetzt unter unterschiedlichen Voraussetzungen widerrufen werden:

  • Wurde ein Immobilienkreditvertrag zwischen dem 11. Juni 2010 und dem Inkrafttreten der Wohnimmobilienkreditrichtlinie abgeschlossen, gilt nach Meinung von Verbraucherschutzverbänden und Fachanwälten ein „ewiges“ Widerrufsrecht. Die Verbraucherzentralen überprüfen auf Wunsch gegen eine geringe Gebühr die Erfolgsaussichten eines Widerrufs. Alternativ können die Verträge auch von Fachanwälten begutachtet werden.

  • Alle Verträge, die seit dem Inkrafttreten der Wohnimmobilienkreditrichtlinie vereinbart wurden, können innerhalb von einem Jahr und 14 Tagen widerrufen werden. Auch sie werden auf Wunsch überprüft.

Ein großes Manko hat sich mit der Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern ergeben. Entscheidend sind hier nicht immobile Sicherheiten, sondern vor allem die Höhe des zur Verfügung stehenden Eigenkapitals. Insbesondere junge Familien und Ruheständler werden von den neuen Vorgaben der WIKR benachteiligt: Die statistische Lebenserwartung eines Kreditkunden und die von ihm gewünschte Kreditsumme müssen zueinander passen. Ein heute 40-jähriger Mann kann mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von weiteren rd. 39 Jahren rechnen (Quelle: Statistisches Bundesamt). Fällt die Entscheidung für den Kauf oder Bau einer Wohnimmobilie im Alter von Mitte oder Ende 40 und wird dafür ein hoher Kreditbetrag benötigt, stellen sich für die Bank zwei Fragen:

  1. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde das Durchschnittsalter überhaupt erreicht?
  2. Und: Wird es ihm möglich sein, Zinsen und Tilgung auch als Rentner aufzubringen?

Aus Sicht der Kreditinstitute, die nun auch eine Art Lebenslaufprognose ihrer Kunden in ihre Entscheidung für eine Kreditzusage einfließen lassen müssen, sind junge Familien nun eine relativ unsichere Klientel. War es bislang üblich, eine Baufinanzierung relativ früh zu beginnen und so sicherzustellen, dass die Schulden bis spätestens zum Eintritt ins Rentenalter getilgt sind, kehrt sich dieses Prinzip nun um: Nach der allgemeinen Lebenserfahrung müssen Kreditvermittler davon ausgehen, dass junge Familien weder über ein hohes Eigenkapital noch über ein hohes Einkommen verfügen. Außerdem ergibt sich durch die weitere Familienplanung ein zusätzliches Risiko, wenn ein Elternteil sich im hohen Maße um die Kinder kümmern muss und so als Verdiener ausfällt. Dabei wird eine in Anspruch genommene Elternzeit wie eine Arbeitslosigkeit bewertet. Weitere Kriterien sind die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Beurteilung der Krisensicherheit der Branche und die Risiken von Krankheiten sowie einer Scheidung. Das früher übliche Vorgehen von Kreditinstituten, den Wert der zu erstellenden Immobilie und ihre künftige Wertsteigerung in ihre Kreditentscheidung einzubeziehen, darf außerdem so nicht mehr gehandhabt werden, sodass den Kunden ein Baustein ihrer Finanzierung genommen wurde.

  • Rentner haben mit der neuen WIKR das Nachsehen
    Konnten Sie bislang für eine Modernisierung oder Umbauten ihres Eigenheims ihr schuldenfreies Haus als Sicherheit einsetzen, wurde diese Möglichkeit beschnitten: Viele von ihnen verfügen weder über eine hohe Rente noch über ein großes Kapitalvermögen, was nun für die Kreditvergabe wesentlich geworden ist. Aufgrund ihres Alters wird es außerdem als wenig wahrscheinlich eingeschätzt, dass sie den Kredit im Laufe ihres Lebens zurückzahlen können.

  • Probleme haben auch Ausländer, die in Deutschland arbeiten, ihr Gehalt jedoch in Heimatwährung ausgezahlt bekommen
    Außer Rentnern und Familien wird eine weitere Personengruppe von den neuen Regelungen zur Kreditvergabe benachteiligt, die weniger im Fokus steht: EU-Ausländer, deren Heimatland nicht der Euro-Zone angeschlossen ist, dürfen verlangen, dass der in Deutschland aufgenommene Kredit in ihre Heimatwährung umgerechnet wird, sobald sich der Umtauschkurs ihrer eigenen Währung zum Euro um mehr als 20 % verändert. Das Risiko müssen jedoch die Kreditinstitute tragen, wozu sie mehrheitlich nicht bereit sind. Davon sind Menschen betroffen, die in Deutschland arbeiten, ihr Gehalt jedoch in ihrer Heimatwährung ausgezahlt bekommen.

  • Beantragung eines Folgekredits wird erschwert
    Problematisch kann die Situation auch bei der Beantragung eines Folgekredits werden: Bankkunden sind dann in der Regel bereits in einem Alter, in dem ihre Bank sich die Frage stellt, ob ihr Kunde aufgrund seiner Lebensprognose den Kredit überhaupt über die ganze Laufzeit bedienen kann.

So wirkt sich die Wohnimmobilienkreditrichtlinie aus

Da das Haftungsrisiko seit der Einführung der WIKR auf die Banken verlagert wurde, verhalten sich diese bei der Kreditvergabe entsprechend restriktiv. So beugen sie auch Problemen mit der Bankenaufsicht - also der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – vor. Sie sind im Gegensatz zu früher auch gehalten, im Falle von Zahlungsschwierigkeiten ihrer Kunden früher das Darlehen fällig zu stellen, anstatt dem Kreditnehmer z. B. mit einer Tilgungsaussetzung Zeit zu verschaffen. Bereits ein halbes Jahr nach dem Inkrafttreten der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zeichnete sich ab, dass diese sich als Bremse für den privaten Wohnimmobilienbau auswirkt: Banken und Sparkassen berichteten von einer um 20 % zurückgegangenen Kreditvergabe in diesem Sektor.

Unklar bleibt, warum Deutschland die EU-Richtlinie strenger umgesetzt hat, als nötig. In Österreich ist beispielsweise die Kreditvergabe an Senioren weiterhin problemlos möglich.

Hier sind sich Verbraucherschützer, Immobilienwirtschaft und Banken einig

Die Bevormundung der Bürger wurde durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu sehr ausgeweitet, künftig sollten Handlungsspielräume, die die EU-Richtlinie bietet, ausgenutzt werden. Der Bundesbauminister hat einer Änderung der WIKR zugestimmt, Treffen mit ihm sowie Verbraucherschützern und Vertretern von Kreditinstituten haben bereits stattgefunden. Bereits im Oktober 2016 hat die Bundesregierung einen Entwurf für das Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz vorgelegt, der sich auch mit der Änderung des WIKR befasst (Bundestags-Drucksache 815/16). Darin geht es insbesondere um die Modifizierung dieser Vorgaben:

  • Künftig sollen die in der WIKR formulierten Beschränkungen nicht mehr für Anschlussfinanzierungen beim selben Darlehensgeber und für die Renovierung von Wohnimmobilien gelten.
  • Die BaFin bekommt das Recht, weitere Ausnahmen festzulegen.
  • Kreditinstitute sollen die Möglichkeit bekommen, über ein sog. Freikontingent Neukredite ohne die Beschränkungen der WIKR zu vergeben, deren Anteil von der BaFin festgelegt wird.
  • Für die Vergabe von Kleinkrediten soll es eine Bagatellgrenze geben, bis zu der ebenfalls keine Beschränkungen der WIKR angewendet werden.
  • Der Umgang mit sog. Immobilienverzehrkrediten soll neu geregelt werden. Mit dieser Kreditvariante können ältere Menschen für ihren Lebensunterhalt sorgen. Nach ihrem Tod wird ihre Immobilie verkauft und mit dem Erlös der Kredit bedient.

Darüber hinaus erhält die BaFin das Recht, mit geeigneten Finanzinstrumenten das Entstehen einer Immobilienblase zu verhindern. Dies soll insbesondere mit der Festlegung von verschärften Obergrenzen bei der Kreditvergabe geschehen.

Die Bundesregierung hat das Thema als eilbedürftig eingestuft, sodass bereits Ende Januar 2017 die erste Beratung im Bundestag stattgefunden hat. Am 10. Februar nahm der Bundesrat zum Entwurf Stellung, bemängelte jedoch, dass dort seine Zustimmung als entbehrlich angesehen worden war. Er bat außerdem darum, dass die Verordnung spätestens am 1. Oktober 2017 erlassen werden soll.  Da der Bundesrat um die Aufnahme einiger Ergänzungen in den Gesetzentwurf gebeten hat, kann nicht sicher eingeschätzt werden, wann und mit welchem Inhalt die modifizierte WIKR in Kraft treten wird.

Es bleibt daher abzuwarten, unter welchen Voraussetzungen in Zukunft Immobilienkredite aufgenommen werden können.

 

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