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Vorfälligkeitsentschädigung: So geht man dem Ärger am besten aus dem Weg

Das passiert leider oft: Da wollen Bankkunden ihren Kredit vor dem Ablauf der Laufzeit zurückzahlen, um eher schuldenfrei zu sein, und werden dann damit konfrontiert, dass ihr Geldinstitut die Hand aufhält. Vorfälligkeitsentschädigungen werden von den Banken erhoben, um den Ausfall der Zinszahlungen, die ansonsten noch von den Verbrauchern gezahlt worden wären, zu kompensieren. Es handelt sich also um eine Art Schadensersatz. Doch bei näherem Hinsehen fällt auf, dass mit klassischen Ratenkrediten anders verfahren wird als mit Hypothekendarlehen.

Vorfälligkeitsentschädigungen bei Hypothekendarlehen unklar geregelt

Verbraucher, die einen typischen Ratenkredit abgeschlossen haben, um sich beispielsweise ein Auto zu kaufen, sind gegen eine überhöhte Vorfälligkeitsentschädigung geschützt. Der § 502 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der auf die EU-Verbraucherkreditrichtlinie zur Vorfälligkeitsentschädigung zurückgeht, sieht vor, dass Kreditinstitute höchstens 1 % der Restsumme fordern dürfen, sofern die restliche Vertragsdauer mehr als zwölf Monate beträgt. Liegt sie darunter, sieht das BGB eine Vorfälligkeitsentschädigung von maximal 0,5 % der Restschuld vor. Diese Regelung gilt für alle Ratenkredite, die bis einschließlich zum 10. Juni 2010 abgeschlossen worden sind. Für alle älteren Ratenkredite gibt es keine vergleichbare Regelung, die die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung begrenzt, sodass Verbraucher hier mit hohen Forderungen ihrer Bank oft das Nachsehen haben können.

Für Immobiliendarlehen fehlt bislang eine eindeutige Regelung, sodass sich Bankkunden hier häufig regelrecht abgezockt fühlen: Da diese Kredite praktisch immer viel höher als die klassischen Ratenkredite sind, fallen auch die Vorfälligkeitsentschädigungen deutlich höher aus und erreichen schnell einen mittleren fünfstelligen Betrag.

Doch auch diese Kunden müssen nicht jede Forderung ihrer Bank erfüllen: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Urteil aus dem Jahr 2016 auf die Seite der Verbraucher gestellt (Az. XI ZR 388/14). Eine Verbraucherzentrale hatte gegen das Vorgehen einer Sparkasse geklagt, ihren Kunden zwar Sondertilgungen zu ermöglichen, diese jedoch bei der Ermittlung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu berücksichtigen. Die Richter kritisierten, dass die Bank aufgrund der bisherigen Handhabung höhere Vorfälligkeitsentschädigungen eingenommen hatte, als ihr vertragsgemäß zustanden. Sie bewerteten dieses Vorgehen als eine unzulässige Bereicherung. Derartige Klauseln sind seitdem unwirksam.

Zustandekommen der Entschädigungshöhe wird oft verschleiert

Der Richterspruch änderte jedoch nichts daran, dass die Entschädigungshöhe bei Hypothekendarlehen aus Sicht der Kunden von den Banken häufig nicht transparent und nachvollziehbar errechnet wird. Eine ältere Entscheidung des BGH schiebt ausufernden Forderungen von Kreditinstituten allerdings einen Riegel vor: Bereits 2004 (At. XI ZR 285/03) urteilte die zuständige Kammer, dass die Berechnung der Entschädigungshöhe auf der Grundlage der Renditen erfolgen soll, die aus der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank hervorgehen sollen, die monatlich aktualisiert werden (www.bundesbank.de).

Aus Sicht der Kreditnehmer bleibt das Berechnungsverfahren bei Immobilienkrediten jedoch unverständlich und führt zu überhöhten Vorfälligkeitsentscheidungen. Diesen Eindruck konnten die Verbraucherzentralen bestätigen: Auf zehn Berechnungen kommen immerhin drei, die überhöht sind und somit die Kunden unangemessen benachteiligen. Der deutliche Hinweis des BGH aus dem Jahr 2016, Verbraucher müssten in der Lage sein, die Entschädigungshöhe selbst zu ermitteln, verhallte in der Branche ungehört.

In diesen Fällen darf keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt werden

Wenn Kreditnehmer unverhofft zu einem Geldsegen gekommen sind, der sie in die Lage versetzt, ihre Schulden auf einen Schlag tilgen zu können, führt an der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung kein Weg vorbei. Die Situation ändert sich jedoch, wenn die Immobilie verkauft werden muss. Hier kommt es darauf an, wie zwingend die Gründe für diesen Schritt sind: Das Landgericht Frankfurt gab einem Darlehensnehmer Recht, der seinen Hypothekenkredit wegen Arbeitslosigkeit nicht mehr bedienen konnte und sein Wohnhaus daher verkauft hatte (Urt. v. 22.06.2018, 2-21 O 74/18). Die Richter sahen in der Forderung des Kreditinstituts eine ungerechtfertigte Bereicherung.

Wird der Darlehensnehmer erwerbsunfähig oder verstirbt er, urteilen Richter ebenfalls zugunsten der Verbraucher. Auch eine Scheidung kann ein Grund für den Wegfall der Entschädigungsforderung sein.

Eine Entschädigung darf auch dann nicht verlangt werden, wenn eine Bank von sich aus einen Immobilienkredit kündigt. Sie darf jedoch Schadensersatz in Höhe von maximal 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz fordern (Urteil vom 17. Januar 2013, Az. XI ZR 512/11). Der Basiszinssatz wird zweimal jährlich angepasst und kann unter https://basiszinssatz.de/ eingesehen werden.

Die Vorfälligkeitsentschädigung entfällt auch, wenn ein Darlehensvertrag schon vor mehr als zehn Jahren abgeschlossen wurde und sich dessen Konditionen seitdem nicht geändert haben. Sofern es eine entsprechende Anpassung gegeben haben sollte, beginnt die Zehnjahresfrist ab deren Wirksamwerden erneut zu laufen.

Doch auch für Kreditnehmer, die ihr Eigenheim verkaufen wollen und deren Hypothekenvertrag noch nicht zehn Jahre alt ist, gibt es Schlupflöcher, um die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen:

  • Sofern der Hauskäufer über eine ähnliche finanzielle Situation wie der Verkäufer verfügt, ist grundsätzlich ein sog Schuldnertausch möglich. Der „Übernahmekandidat“ wird sich jedoch im Hinblick auf die aktuelle Niedrigzinsphase auf diese Möglichkeit nur einlassen, wenn es sich um einen noch jungen Kreditvertrag handelt.
  • Wenn der Kreditnehmer sein Haus zwar verkauft, anschließend jedoch eine gleichwertige Immobilie kauft, kann die Bank einem sog. Objekttausch zustimmen. Der Vertrag würde dann nur auf die gekaufte Immobilie umgeschrieben werden.

Oft die letzte Rettung: der Widerruf

Fachleute empfehlen auch, einen Blick auf die Widerrufsbelehrung im Kreditvertrag zu werden. Diese ist in zahlreichen Fällen fehlerhaft. Die Folge: Der Kreditvertrag kann auch nach Jahren noch aufgelöst werden. Mit einem Widerruf auf dieser Grundlage muss keine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt werden, da beide Vertragspartner hier so gestellt werden, als hätte es den Vertrag nie gegeben. Für die grundsätzliche Möglichkeit eines Widerrufs ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich:

  • Wurde der Immobilien-Kreditvertrag zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 21. März 2016 (Zeitpunkt des Inkrafttretens der Wohnimmobilienkreditrichtlinie) abgeschlossen, gilt noch das sog. „ewige Widerrufsrecht“. In diesem Zeitraum wurden sehr viele Kreditverträge mit einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung vereinbart. Ein typischer Fehler war beispielsweise, dass zwar der Begriff der „Aufsichtsbehörde“ genannt, diese aber nicht näher bezeichnet wurde.
  • Für Kreditverträge, die nach dem 21. März 2016 abgeschlossen wurden, gilt bei einer mangelhaften Widerrufsbelehrung eine Widerrufsfrist von einem Jahr und 14 Tagen.
  • Verträge, die seit dem 2. November 2002 abgeschlossen worden sind, genießen ein „ewiges Widerrufsrecht“, wenn der Vertrag keine Widerrufsbelehrung enthält.

Verbraucher, die hinsichtlich der Widerrufsbelehrung eine Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Widerrufs benötigen, können sich an die Verbraucherzentralen wenden (Kontakt: https://www.vzhh.de).

 

Wohn-Riester (Eigenheimrente)
Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG)

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