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Photovoltaik: BGH entscheidet über Haftung bei mangelhaften Planungs- und Überwachungsleistungen
Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. VII ZR 184/17 vom 10. Januar 2019) wird diejenigen interessieren, die mit der Planungs- und Überwachungsleistung in Zusammenhang mit dem Bau einer Photovoltaikanlage nicht zufrieden sind.
Geklagt hatte das Studierendenwerk Thüringen, das in Jena 2001 den Umbau eines Plattenbaus in ein Studentenwohnheim plante. Das Besondere an dieser Wohnanlage ist die in die Fassade eingearbeitete Photovoltaikanlage, die sich über mehrere Stockwerke erstreckt. Das Studierendenwerk schloss zunächst mit einem Ingenieurbüro einen Energieberatungs- und später einen Planungs- und Überwachungsauftrag für die Errichtung einer Photovoltaikanlage ab, der die Leistungsphasen 2 bis 8 nach § 73 Abs. 3 HOAI a. F. beinhaltete. Eine Fachfirma sollte außerdem die Anlage einbauen. 2003 wurden bei einer Teilabnahme verschiedene Mängel erhoben und außerdem festgestellt, dass die Photovoltaikanlage weniger Stromertrag erbrachte, als von der beklagten Firma prognostiziert worden war. 2005 hat das Studierendenwerk gegen beide Unternehmen ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet, rund sechs Jahre später wurde eine Anhörung des gerichtlich bestellten Sachverständigen durchgeführt. Im September 2014 reichte das Studierendenwerk gegen das mit den Planungs- und Überwachungsaufgaben betraute Ingenieurbüro Klage in Höhe von mehr als 230.000 Euro wegen Erlösminderung ein. Die Klage richtete sich auch gegen die Installationsfirma, die gemeinsam mit dem Ingenieurbüro gesamtschuldnerisch nach Ansicht des Klägers fast 130.000 Euro zahlen sollte. Diese Forderung setzte sich aus Sanierungskosten und der entgangenen Einspeisevergütung zusammen. Mit Blick auf die Zukunft umfasste die Klage auch die Feststellung, dass die beiden Unternehmen zum Ersatz von weitergehenden Schäden verpflichtet werden sollten.
Darum geht es im Wesentlichen
Um nachvollziehen zu können, wie die Richter des BGH letztendlich zu ihrer Entscheidung gekommen sind, muss man Folgendes wissen: Im Rahmen der beauftragten Planungs- und Überwachungsleistungen hatte das Ingenieurbüro die Pflicht, nicht nur dafür zu sorgen, dass das Studierendenwerk ein mangelfreies Bauwerk (hier: die PV-Anlage) erhält, sondern es außerdem auch nach der Fertigstellung bei der Untersuchung der Mängel und deren Beseitigung zu unterstützen. Das Büro muss darüber hinaus seinen Auftraggeber unverzüglich und vollständig über aufgetretene Mängel und ihren Umfang informieren und ihn über die entsprechende Rechtslage aufklären.
Der strittige Punkt ist in diesem Fall die Frage, wann die Ansprüche des Studierendenwerks gegen das Ingenieurbüro verjährt gewesen sind. Nach Ansicht des beklagten Büros waren sie gem. § 634a Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verjährt, da es bei der Planung der PV-Anlage nicht um ein Bauwerk gegangen sei und keine wesentliche Umgestaltung stattgefunden habe. Auch eine sog. Trägerfunktion sah der Beklagte nicht, weil die Anlage nicht dafür konzipiert gewesen sei, das Gebäude mit Strom zu versorgen, sondern diesen in das öffentliche Netz einzuspeisen. Deshalb sollte seiner Meinung nach die Gewährleistungsdauer nicht fünf, sondern nur zwei Jahre betragen.
So urteilte der BGH
Die Richter wiesen die Begründung des Ingenieurbüros für eine kürzere Verjährungsfrist zurück. Sie urteilten, dass gem. § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB der Anspruch der Klägerin nicht verjährt gewesen ist, weil die dort geregelte fünfjährige Verjährungsfrist für ein Bauwerk oder die dafür erbrachten Planungs- und Überwachungsleistungen gilt. Diese Vorschrift meint nicht nur die Planungs- und Überwachungsleistungen für einen Neubau, sondern auch für eine grundlegende Gebäudeerneuerung. Der BGH hatte bereits in der Vergangenheit definiert, was unter einer grundlegenden Erneuerung zu verstehen ist: Danach fallen darunter alle Arbeiten, die so umfangreich sind, dass sie wie ein teilweiser oder kompletter Neubau zu bewerten sind. Auch Umbauarbeiten an einem Bestandsgebäude gehören dazu, wenn sie „für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden werden“. Daher rührt auch der Grund für die längere Verjährungsfrist: Da mehrere aufeinanderfolgende Arbeiten Mängel verdecken können, sind diese erst später zu erkennen. Auch die Witterung und die Nutzung spielten hier eine Rolle. Im verhandelten Fall wurde nach Einschätzung des Senats ein Teilbereich der Gebäudeerneuerung in einem Umfang übernommen, der mit einer vollständigen oder teilweisen Neuerrichtung gleichzusetzen ist.
Die Fristberechnung der Richter ist nicht ganz einfach nachzuvollziehen: Der Auftrag an das Ingenieurbüro wurde im September 2002 vergeben. Anfang November 2003 erfolgte die Teilabnahme, in deren Protokoll die Mängel festgehalten wurden. Die Verjährungsfrist hätte demnach einen Tag später zu laufen begonnen, wurde dann aber durch die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens im April 2005 gehemmt. Die sachliche Beweisführung innerhalb dieses Verfahrens war frühestens Ende August 2010, nachdem der Sachverständige vor Gericht angehört worden war, abgeschlossen. Die Hemmung des Verfahrens hat gem. § 204 Abs. 2 BGB Ende Februar 2011 nach sechs Monaten geendet. Dreieinhalb Jahre später wäre mit dem Einreichen der Klageschrift im September 2014 die Verjährung ein weiteres Mal gehemmt worden.
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