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Die Grenzen des „berechtigten Interesses“: Nicht jeder darf das Grundbuch einsehen

Der Kreis der Personen, der das Grundbuch einsehen darf, bestimmt sich nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchordnung (GBO): „Die Einsicht in das Grundbuch ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt.“ Dazu gehören selbstverständlich alle, denen das Grundstück, über das sie die Grundbuchinformationen bekommen möchten, gehört. Aber auch dann, „wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan ist, das auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann“ (OLG München, Beschluss vom 26.07.2018 – Az. 34 Wx 239/18), ist die Einsichtnahme zulässig. Damit können also beispielsweise ernsthafte Kaufinteressenten oder auch Nachbarn gemeint sein, die sich mit der Einsichtnahme Klarheit über Dienstbarkeiten, die auf dem Grundstück liegen, verschaffen wollen.

BGH stellt Anspruch auf Einsichtnahme für Abgeordnete klar

Eine Abgeordnete des Berliner Landtages wollte zu Recherchezwecken die Grundbücher beim Amtsgericht Berlin einsehen. Es ging ihr um den Umfang der Immobilienbestände des Berliner Konzerns Deutsche Wohnen für eine bevorstehende Debatte, die dessen Enteignung zum Inhalt haben sollte: Das Unternehmen bewirtschaftet in und um Berlin über 100.000 Wohnungen, mehrere Mieterinitiativen strebten ein Volksbegehren mit dem Ziel der Enteignung an. Die Abgeordnete sah ihre Berechtigung zur Einsichtnahme dadurch erfüllt, dass eine Kontrolle nur möglich ist, wenn die Zahl und Lage der dem Konzern gehörenden Wohnungen bekannt ist.

Der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung jedoch nicht gefolgt: Die Richter konnten das in der GBO geforderte „berechtigte Interesse“ nur dann erkennen, „wenn ein konkretes Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit in Bezug auf das konkrete Grundstück dargelegt wird". Der BGH machte deutlich, dass aus einem Grundbucheintrag zahlreiche sensible personenbezogene Daten aus dem persönlichen, sozialen, familiären und wirtschaftlichen Bereich hervorgehen. Die Einsichtnahme von Dritten, wie es die Abgeordnete wäre, ist deshalb ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das auch für juristische Personen Gültigkeit hat.

Das Gericht stellte klar, dass es durchaus ein öffentliches Interesse geben kann, wenn ein Parlament seine Kontrollfunktion gegenüber Regierung und Verwaltung wahrnehmen und deshalb das Grundbuch einsehen möchte. Beispielhaft werden hier Immobiliengeschäfte der öffentlichen Hand angeführt, die ein öffentliches Interesse und damit ein Einsichtsrecht von einzelnen Abgeordneten nach sich ziehen können. Die Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass mit der Einsichtnahme deren Missstände oder Fehlverhalten aufgedeckt werden sollen. Allgemeine Informationszwecke fallen nicht unter die Voraussetzung des § 12 GBO. Allein aus dem Status eines Antragstellers als Abgeordneter leitet sich noch nicht das Recht auf Einsichtnahme in das Grundbuch ab.

(Beschluss des BGH vom 09.01.2020, Az. V ZB 98/19)

 

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