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Nachbarrecht trifft auf Energiewende

Am 2. Juni 2017 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Fall entschieden (Az. V ZR 196/16), der viele Hausbesitzer, die über eine nachträgliche Fassadendämmung nachdenken, aufhorchen lassen dürfte. Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beklagte, der ein Reihenendhaus bewohnt, sind Nachbarn in Berlin. Das Gericht hatte nun zu entscheiden, wo der Wunsch nach einer wärmegedämmten Außenwand seine Grenzen hat.

Energieeinsparverordnung vs. Berliner Nachbarrechtsgesetz

In den Jahren 2004 und 2005 war auf dem Grundstück unmittelbar angrenzend an das Reihenendhaus des Beklagten ein Mehrparteienhaus errichtet worden, das von einer Wohnungseigentümergemeinschaft bewohnt wird. Entsprechend der Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) wurden die Außenwände mit einer Wärmedämmung ausgestattet. Diese Dämmschicht ragte jedoch um 7 cm in das Grundstück des Beklagten hinein. Die Eigentümergemeinschaft sah sich im Recht, weil sie den § 16a Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz (NachbG Berlin) so ausgelegt hatte, dass der Nachbar verpflichtet sei, solch einen Überbau zu dulden, der dem Klimaschutz dient. Als die Wohnungseigentümer in einem zweiten Schritt eine Putzschicht und einen Anstrich  mit einer Gesamtstärke von einem halben Zentimeter auf die gedämmte Wand aufbringen lassen wollten, muss dem Reihenhausbesitzer der Kragen geplatzt sein und er verweigerte seine Zustimmung. Da die Wohnungseigentümer das örtliche Nachbarrecht auf ihrer Seite glaubten, sah man sich vor Gericht wieder.

Bestands- oder Neubau?

Das Urteil der BGH-Richter fiel eindeutig aus: Das Duldungsrecht bei Dämmmaßnahmen gilt im Sinne des Berliner NachbG immer dann, wenn Bestandsbauten nachträglich eine Fassadendämmung erhalten sollen. Der Gesetzgeber wollte insbesondere verhindern, dass Duldungen von Überbauten, die durch Dämmschichten auf älteren Gebäuden entstehen, von hohen finanziellen Forderungen abhängig gemacht oder vollständig verweigert werden. Handelt es sich jedoch um einen Neubau, muss dieser selbstverständlich so geplant und errichtet werden, dass es auch nach der Anbringung einer Wärmedämmung nicht zu einem Überschreiten der Grundstücksgrenze kommt. Im verhandelten Fall mussten die Vorgaben der EnEV 2001 eingehalten werden, was zum Zeitpunkt des Hausbaus ohne eine Überbauung der Grundstücksgrenze problemlos möglich gewesen wäre.

Wie andere Bundesländer mit diesem Problem umgehen

Nachbarrecht ist Ländersache und deshalb nicht einheitlich geregelt. Außer Berlin haben auch Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Regelungen für den Überbau, der bei der Anbringung von Wärmedämmungen an Bestandsbauten entsteht, in ihre Nachbarrechtsgesetze aufgenommen. Die Art der Duldung – mit oder ohne die Möglichkeit einer finanziellen Entschädigung – ist zwar unterschiedlich formuliert, die Schwerpunktsetzung allerdings nicht: Alle diese Regelungen gelten nur für Bestandsbauten. Auch hier gehen die jeweiligen Gesetzgeber davon aus, dass ein Architekt in der Lage ist, ein den Vorgaben der EnEV entsprechendes Gebäude so zu planen, dass die Grenzverläufe eingehalten werden.
Im Fall einer Entschädigung dürfen Grundstückseigentümer, die von einer Überbauung durch den Nachbarn betroffen sind, sich  jedoch nicht auf einen üppigen Geldbetrag freuen: Das BGB regelt diese Sachverhalte in den §§ 912 Abs. 2, 913 und 914. Danach wird die sog. Überbaurente anhand des Verkehrswerts des überbauten Grundstücksanteils zum Zeitpunkt des Überbauens ermittelt.

Die Frage, ob die Länderregelungen zu dieser Problematik überhaupt verfassungskonform sind, haben die Richter nicht angesprochen, denn grundsätzlich gilt: Bundesrecht geht Landesrecht vor.

 

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Ab 1. August 2017 bundesweit einheitliche Regelung...
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