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Europäischer Gerichtshof kippt Honorarordnung: Welche Folgen hat das Urteil?

Seit dem 1. Januar 1977 gibt es die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Als Bundesverordnung regelte sie die Honorare für alle, die innerhalb Deutschlands an Projekten des Ingenieurbauwesens beteiligt sind. Die Vorgaben der HOAI schufen sowohl für die Auftrag gebende als auch die Auftrag nehmende Seite Klarheit über die Höhe des zu erwartenden Honorars. Die Regelungen setzten außerdem einen Honorarrahmen, der sowohl vor Preisdumping als auch Wucher schützen sollte.

Die EU-Kommission hatte jedoch einen anderen Blick auf die Verordnung: Sie sah in dem bindenden Preisrecht einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit und bewertete dies als unvereinbar mit dem Europarecht. Dem schloss sich der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) an und kritisierte, dass die von der Bundesregierung vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend dokumentierten, dass die Honorarvorgaben ein Instrument der Qualitätssicherung und des Verbraucherschutzes sind. Er stufte den Sachverhalt wie die EU-Kommission als Verstoß gegen die 2006 verabschiedete EU-Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG) sowie die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten ein. Die EU-Kommission legte am 21. November 2016 vor dem EuGH Klage gegen Deutschland ein.

EuGH-Urteil zwingt Bundesrepublik zum Handeln

Die Richter des EuGH haben sich am 4. Juli 2019 der Auffassung des Generalanwalts angeschlossen (Az. C-377/17). Die Regelungen der HOAI, die die Vergütungen in Abhängigkeit von der Kostenberechnung nach oben und unten eingrenzen, sind ein Verstoß gegen § 15 der EU-Dienstleistungsrichtlinie. Jetzt ist die Bundesrepublik am Zug: Sie muss eine neue Verordnung konzipieren, die mit den EU-Regelungen im Einklang ist. Bis zu einer solchen Neuregelung bleibt zunächst alles beim Alten. Eine Möglichkeit, gegen das Urteil vorzugehen, gibt es nicht: Die Urteile des EuGH sind abschließend.
Es ist nach Einschätzung von Rechtsexperten nicht davon auszugehen, dass die zu erwartende HOAI-Novelle weitere Änderungen umfasst, die über die vom EuGH kritisierten Preisvorgaben hinausgehen.

Die Auswirkungen des Urteils auf Verträge und Gerichtsprozesse

Aktuelle Verträge, in denen auf die HOAI verwiesen wird, bleiben weiterhin wirksam. Der Bezug auf die Verordnung hat zur Folge, dass ein bindendes Honorarfindungsverfahren vereinbart worden ist, das die Grundlage für die Honorarberechnung bildet.

Anders sieht es bei Honorarstreitigkeiten aus, die vor Gericht ausgetragen werden. Es wird den beauftragten Architekten und Ingenieuren schwer fallen, sich darauf zu berufen, dass das vereinbarte Honorar unterhalb des von der HOAI festgelegten Mindestsatzes liegt. Hier liegt bis auf weiteres eine Unsicherheit für alle an einem Projekt Beteiligten.

Ein am 14. Mai 2020 vorläufig beendetes Gerichtsverfahren vor dem Bundesgerichtshofs (BGH; Az. VII ZR 174/19) beschäftigt sich mit einer solchen Vertragsunsicherheit. Ein Ingenieurbüro hatte gegen einen Kunden geklagt, mit dem er 2016 ein Pauschalhonorar vereinbart hatte. Die Schlussrechnung des Ingenieurbüros lautete 2017 jedoch auf den Mindestsatz der HOAI 2013, der mehr als 100.000 Euro darüber lag. Entgegen der Erwartungen endete das Verfahren nicht mit einem Urteil. Die Richter hatten jedoch selbst ihre Probleme, eine klare Rechtsposition einzunehmen. Der § 7 Abs. 1 HOAI spricht davon, dass sich ein Honorar „nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen“ richtet. Die Auslegung des § 7 Abs. 1 HOAI, dass die Preisbindung nicht gilt, ist nach Ansicht des Senats nicht möglich. Es ist jedoch möglich, dass sich die Nichtanwendbarkeit der der HOAI-Mindest- und Höchstsätze zwischen privaten Vertragsparteien aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie ergibt. Die Richter neigen zwar zu der Auffassung, die sich gegen die unmittelbare Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie unter privaten Vertragspartnern richtet, können aber auch einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nicht ausschließen, was zur Folge hätte, dass die Preisbindung nicht angewendet werden könnte. Der BGH hat sich entschieden, diese Problematik zur Klärung an den EuGH weiterzureichen. Bis von dort eine Antwort eintrifft, wurde das Verfahren ausgesetzt.

Rechtsunsicherheit und kein Ende?

Es gibt noch weitere Gerichtsverfahren, die ebenfalls auf die aktuelle Rechtsunsicherheit zurückzuführen sind. Es ist allen, die als Vertragspartner mit der HOAI arbeiten, zu wünschen, dass dieser Zustand möglichst rasch und rechtssicher von den zuständigen Bundesministerien mit einer HOAI-Novelle beendet wird.

 

Hinweis:
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Siehe auch: https://www.hausbauberater.de/bauwissen/europaeischer-gerichtshof-kippt-honorarordnung-welche-folgen-hat-das-urteil

 

 

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