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Enteignung: wenn der Staat auf das Grundstück oder die Immobilie zugreift
Das Grundgesetz schützt im Artikel 14 Abs. 1 zwar das Recht am Eigentum, schränkt es jedoch in Abs.3 bereits wieder ein: Sofern es dem Allgemeinwohl dient, darf der Staat eine Enteignung vornehmen. Dem früheren Eigentümer ist dann eine Entschädigung in einer Höhe zu zahlen, die sich sowohl mit den Interessen des Enteigneten als auch denen der Allgemeinheit in Einklang bringen lässt.
Darüber, was unter einer Enteignung konkret zu verstehen ist und in welchen Fällen überhaupt eine Entschädigung an den Enteigneten gezahlt wird, hat das Bundesverfassungsgericht erst 1981 mit dem sog. „Nassauskiesungsbeschluss“ entschieden. Danach liegt keine Enteignung vor, wenn die Nutzungsbeeinträchtigung durch Behörden auf der Basis von gesetzlichen Normen oder Einzelfallregelungen erfolgt. Folglich wird in solchen Fällen keine Entschädigung gezahlt.
Kriterien für eine Enteignung
Die Kriterien für eine Enteignung sind erfüllt, wenn ein Grundstück von einer Institution der sog. öffentlichen Hand (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände; Körperschaften des öffentlichen Rechts wie z. B. Kirchen, IHK, paritätisch selbstverwaltete Sozialversicherungsträger, öffentliche Unternehmen) für ein Vorhaben, das einer öffentlichen Aufgabe zugutekommt (Allgemeinwohl), dem Eigentümer entzogen wird.
Beispiel für eine Enteignung:
Eine Kommune plant, eine neue Straßenbahnlinie durch die Ortsmitte anzulegen. Da der bestehende Straßenraum hierfür nicht ausreicht, muss er zu beiden Seiten des geplanten Linienverlaufs verbreitert werden. Da es keine andere zumutbare Möglichkeit gibt, werden deshalb die direkten Anlieger um die benötigten Flächen ihrer Vorgärten enteignet und es wird ihnen eine Entschädigung gezahlt.
Voraussetzungen für eine Enteignung
Damit eine derartige Enteignung eine fundierte rechtliche Grundlage hat und überhaupt zulässig ist, müssen dabei jedoch weitere Voraussetzungen eingehalten werden.
- Die Enteignung muss auf der Grundlage eines Bundes- oder Landesgesetzes durchgeführt werden.
- Der Antragsteller – also die Institution der öffentlichen Hand (s. unten „So läuft eine Enteignung ab“) – muss sich zuvor ernsthaft darum bemüht haben, das betreffende Grundstück auf dem üblichen Weg zu erwerben.
- Der Antragsteller muss glaubhaft nachweisen, dass das Grundstück innerhalb eines angemessenen Zeitraums für den vorgesehenen Zweck benötigt wird.
- Sofern möglich, muss dem Enteigneten auf Antrag eine Entschädigung in Form von geeignetem Ersatzland zugesprochen werden.
Ausnahme: Sofern zwingende städtebauliche Gründe vorliegen, muss die Kommune nur noch ihr ernsthaftes, aber vergebliches Bemühen um einen freihändigen Erwerb (also normalen Kauf) des betreffenden Grundstücks dokumentieren. Unter den zwingenden städtebaulichen Gründen werden z. B. unbebaute Grundstücke enteignet, die zwar nicht überplant sind, sich aber innerhalb bebauter Ortsteile befinden und nun dazu dienen sollen, Baulücken zu schließen. Dieses Vorgehen wird als Enteignungsprivileg bezeichnet und darf nur zugunsten eines öffentlichen Bedarfs- und Erschließungsträgers oder der Kommune angewendet werden.
Umfang einer Enteignung
Der Umfang von Enteignungen muss immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen, d. h., dass die enteigneten Eigentümer nur in dem Maße belastet werden, wie es für den Zweck der Enteignung nötig ist. Enteignungen können nur auf der Basis eines Gesetzes durchgeführt werden, das den enteigneten Eigentümern eine Entschädigung zugesteht. Beruft sich eine Behörde auf eine Rechtsgrundlage, der eine Entschädigungsregelung fehlt, ist die Enteignung unwirksam. Entschädigungen werden in der Höhe des Verkehrswerts des enteigneten Eigentums festgelegt, der zum Zeitpunkt des Enteignungsbeschlusses gegolten hat. Dahinter steht der Gedanke, dass der enteignete Eigentümer in die Lage versetzt werden soll, sich ersatzweise vergleichbares Eigentum zu beschaffen. Das Vorgehen bei einer Ermittlung des Verkehrswertes wird im Artikel „Immobilienbewertung“ beschrieben. Eine Enteignung löst jedoch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus. Im Rahmen der Festsetzung der Entschädigungshöhe ist nur der Verlust des Eigentums maßgeblich, nicht aber andere Kriterien wie beispielsweise der durch die Enteignung begründete entgangene Gewinn. Die Entschädigung kann ggf. gekürzt werden, wenn z. B. aufgrund einer Verunreinigung des Erdreichs eine Sanierungsmaßnahme durchgeführt werden muss.
So läuft eine Enteignung ab
Eine Enteignung ist an bestimmte Formvorschriften gebunden. In der Regel sehen die entsprechenden Fachgesetze bereits einen festen Ablauf vor. Wenn jedoch keine Verfahrensregelungen vorhanden sind, gelten die Vorschriften ab §§ 63 ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Bei der Enteignung von Grundstücken ist das Baugesetzbuch maßgeblich.
Es gilt immer, dass das Enteignungsverfahren nicht bei der Behörde durchgeführt wird, in deren Interesse die Enteignung liegt. Entsprechend des § 104 Baugesetzbuch ist hierfür die höhere Verwaltungsbehörde zuständig. Das sind in den meisten Bundesländern die Bezirksregierungen. Diejenige Behörde, die eine Enteignung durchführen möchte, muss die Durchführung des Enteignungsverfahrens bei der höheren Verwaltungsbehörde beantragen. Zum Kreis der Beteiligten gehören der Antragsteller (=Behörde, die ein Enteignungsverfahren durchführen lassen möchte), der von der Enteignung betroffene Eigentümer sowie weitere Personen, denen Rechte an der zu enteignenden Sache zustehen.
Bevor zur mündlichen Verhandlung geladen wird, erhalten alle Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, ihre Ansicht bezüglich der Enteignung darzulegen. Die Beteiligten treffen dann im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufeinander. Kommt es bereits hier zu einer Einigung zwischen dem zu enteignenden Eigentümer und der antragstellenden Behörde, ist das Verfahren bereits an dieser Stelle beendet. Kommt es nicht zu einer Einigung, erlässt die Enteignungsbehörde einen Enteignungsbeschluss, der eine Begründung und eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten muss. Wenn der zu enteignende Eigentümer mit dem Beschluss oder Teilen daraus nicht einverstanden ist, steht ihm der Rechtsweg offen, um sein Anliegen durchzusetzen. Aus der Rechtsbehelfsbelehrung geht hervor, bei welchem Gericht (Verwaltungs- oder Landgericht) er Klage erheben kann.
Hinweis:
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